Gewerkschaften wittern Gefahren
Das Homeoffice und die Folgen für Gewerkschaften
Über lange Zeit mussten Berufstätige um die Möglichkeit von Home Office kämpfen. Bislang war diese Möglichkeit der flexiblen Arbeitsplätze eher ein rotes Tuch in deutschen Unternehmen. Das war vor der Corona-Krise. Innerhalb weniger Monate wurde das Arbeiten von zuhause aus zu einer von Unternehmen akzeptierten Lösung. Auch hierzulande haben Arbeitgeber erkannt, dass das Home Office Vorteile bringen kann und sich die negativen Erwartungen der Unternehmer nicht erfüllt haben. Deshalb wollen viele Arbeitgeber ihren Mitarbeitern diese Möglichkeit auch nach der Krise gewähren. Der Siemens-Konzern plant offen damit, für 140.000 weltweit Beschäftigen das ortsunabhängige Arbeiten zur Dauerlösung zu machen.
Einer Umfrage des Ifo-Instituts zufolge, wollen gar 54 Prozent der ca. 7000 befragten Unternehmen das Homeoffice langfristig ermöglichen. Die Unternehmen stützen ihre Entscheidung auf die Ergebnisse der Arbeit innerhalb des Home Office, die im Schnitt produktiver ausfallen sind als vorher. Über. Die Ausschreibung von Homooffice-fähigen Jobs kann man ebenfalls weltweit Fachkräfte rekrutieren. Damit steigen die Chancen, dass man für die Stellenausschreibungen auch die fähigsten Mitarbeiter bekommt. Gerade in Deutschland hat die Krise die Entwicklung, veraltete technologische Standards schnell und flächendeckend auszutauschen und auf mobile Arbeitsmodelle hin auszurichten.
Die Nachteile sehen jedoch die Gewerkschaften, die in den neuen Systemen neue Ungerechtigkeiten für die Arbeitswelt sehen. Schließlich besteht die Möglichkeit des Homeoffice und damit ein ruhigeres und entspannteres Arbeiten nur für diejenigen, die auch vorher in Bürojobs tätig waren, nicht aber für Produktion, Handel, sozialen Bereichen und weitere Branchen. Die Gewerkschaften erkennen darin die Gefahr einer gesellschaftlichen Spaltung und weiterer Verlagerung von Industrien ins Ausland.
Auch bestehe die Gefahr darin, dass die Unternehmen aus einem flexiblen Arbeitsplatzmodell eine Pflicht machen. Das sehen Gewerkschaftsverbände insofern als problematisch, als dass so manches Zuhause gar nicht zum langfristigen Arbeiten geeignet ist, vor allem in ländlichen Regionen. Schließlich wurde lange darauf hingearbeitet, dass unser Büros sicherer, ergonomischer und ordentlicher sind. Schreibtische sind höhenverstellbar, Bürostühle ergonomisch, es sind ordentliche Monitore und Drucker vorhanden. Dies alles müsste für das Home Office erst angeschafft und zur Verfügung gestellt werden, ebenso wie eine schnelle und gut funktionierende Internetverbindung. Daraus entstehen auch Haftungsfragen und neue Richtlinien für Arbeitsplätze. Denn jahrelang wurden in Unternehmen sichere Infrastrukturen geschaffen, die Datensicherheit wurde verschärft und damit Hackern und Datendieben der Zugang zu sensiblen Daten versperrt. All das ist wesentlich schwerer umzusetzen, wenn sich die Arbeitsplätze von einem zentralen in viele kleine auslagern.
Nahezu täglich lassen sich Schlagzeilen von leerstehenden Büroimmobilien lesen. Experten rechnen damit, dass in Zukunft deutlich über 20% der aktuell zur Verfügung stehenden Büroflächen langfristig nicht gebraucht werden. Das wird nachhaltige Herausforderungen für die Immobilienwirtschaft mit sich bringen.
Gewerkschaften warnen ebenfalls von zunehmender Isolation von Arbeitnehmern, welche künftig zusehends auf Gruppendynamik und damit den persönlichen Austausch verzichten müssen. Die Identifikation mit dem eigenen Unternehmen und den eigenen Aufgaben nimmt dadurch ab. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass der Arbeitsplatz und die eigene Familie entgrenzt werden, gerade in kleineren Wohnungen.
Personal, welches großflächig abgebaut wird, erregt medienwirksame Aufschreie, die vor allem durch die Gewerkschaften gesteuert werden. Das ist deutlich schwerer, wenn die Arbeitsplätze räumlich weit verteilt sind. Gewerkschaften sehen darin die Gefahr, langsam aber sicher in die Bedeutungslosigkeit zu versinken.
Neben zahlreichen Vorteilen für die Unternehmen sollten also viele Aspekte und Herausforderungen bedacht werden, mit welchen sich Unternehmen in den kommenden Jahren beschäftigen müssen.