INTERVIEW – Lesezeit 5 min
Führung online
Wie Manager den Wandel mitgestalten können
Paul Johannes Baumgartner ist vielen aufmerksamen Radio-Fans bereits als Primetime-Moderator bei Deutschlands erfolgreichster Radiostation ANTENNE BAYERN bekannt.
Mit seiner lockeren und informativen Art begeistert er rund 1 Million Zuhörer pro Sendestunde mit interessanten Beiträgen, Denkanstößen und vor allem: mit viel Spaß und Leidenschaft für seine Arbeit. Diese Leidenschaft bringt Herr Baumgartner auch als Gastdozent bei Seminaren für das Kremer College ein.
Wir haben mit ihm über den aktuellen Wandel der Meeting-Kultur und der richtigen Reaktion von Führungskräften gesprochen.
KREMER COLLEGE: Herr Baumgartner, als langjähriger Radiomoderator haben Sie viele von uns auf langen Autofahrten oder während der täglichen Arbeit begleitet. Heute sind Sie erfolgreicher Unternehmer, Autor und Keynote-Speaker. Inwiefern hat sich Ihr Geschäftsbereich während der Pandemie verändert und welche dieser Veränderungen sehen Sie als nachhaltig an?
Paul Johannes Baumgartner: From Hero To Zero! Die Pandemie hat erstmal mein komplettes Business pulverisiert. Statt der 100 bereits gebuchten Präsenzvorträge und -seminare gab´s Absagen im Minutentakt. Neukundengeschäft? Fehlanzeige.
Dank dieses doch recht gut spürbaren Leidensdrucks und einer plötzlich entdeckten Begeisterung für Streamingtechnik konnte ich dann aber doch noch ganz passable Ergebnisse einfahren.
Meine Prognose: Videokonferenzen und Online-Produktpräsentationen sind gekommen, um zu bleiben. Es wird Mischformen geben, aber wir kehren nicht mehr in die alte Welt zurück.
Die größte Herausforderung für viele Führungskräfte war und ist sicherlich das Thema Homeoffice. Die Tatsache, dass viele Beschäftigte ganz oder teilweise von zuhause aus arbeiten, bereitet nach wie vor vielen Führungskräften Bauchschmerzen. Es soll Chefs geben, die bis ins letzte Detail ausformulierte Homeoffice-Leitfäden festlegen.
Sowas holt natürlich nicht unbedingt das Beste aus den Teams raus. Homeoffice ist Vertrauensarbeitszeit. Empfehlung: Soviel Kontrolle wie nötig, soviel Vertrauen wie möglich.
Erstens: Immer Kamera an, um so nah wie möglich ans Persönliche ranzukommen. Das gilt für alle und erst recht für die Führungskräfte.
Zweitens: Einen Moderator bestimmen, der durch die Konferenz führt. Das kann ein interner Mitarbeiter sein. Sowas spart enorm Zeit.
Und drittens: Keine Antwort dauert länger als zwei Minuten.
Die Probleme sind bereits da. Viele haben die Lust an Videokonferenzen verloren, sie sind der Webcalls müde. Einzige Lösung: Nicht wegen jeder Kleinigkeit eine Videokonferenz anberaumen, sondern zwischendurch auch mal wieder ein ganz normales Telefonat. Das entspannt schon mal ganz extrem.
Und wenn schon Videokonferenz, dann planen Sie bitte genügend Pausen ein. Das Hirn braucht Ruhe. Gute Faustregel je nach Schwere und Fülle der Inhalte: 30 bis 40 Minuten Videokonferenz am Stück, dann eine kleine Espressopause von 5 bis 10 Minuten und danach geht´s wieder frisch weiter.
Bleiben Sie Menschenfreund. Bei Microsoft Teams können Einzelpersonen oder Organisationen in ihren Standardeinstellungen festlegen, ob Besprechungen und Termine um fünf, zehn oder 15 Minuten gekürzt werden sollen, um so Pausen zwischen den Gesprächen zu ermöglichen. So können beispielsweise 30-minütige Check-ins auf 25 Minuten und einstündige Gespräche auf 55 Minuten verkürzt werden, sodass automatisch fünfminütige Pause entstehen.
Nur mit eiserner Disziplin. Arbeit ist Arbeit, privat ist privat und die Zeitspanne zwischen Geburt und Tod nennt sich Leben. Legen Sie einen Zeitpunkt am Morgen fest, an dem Sie frisch geduscht und in Businesskleidung vorm Computer Ihren Arbeitstag beginnen.
Die Kaffee- und Mittagspausen stehen als fixer, unverrückbarer Termin im Kalender und abends wird der Computer zu einer festgelegten Zeit runtergefahren und nicht mit ins Wohnzimmer genommen. Ein Firmenlaptop ist ein Arbeitsgerät und kein Wanderpokal.
Ein paar Grundregeln reichen. Machen Sie zum Beispiel morgens ein „Video-Stand Up Meeting“, also „stand up“ – wirklich im Stehen. Das ist aktiver. Dabei fragen Sie, wie´s dem Team geht, damit Sie früh mitbekommen, ob jemand vereinsamt oder irgendwelche Probleme hat.
Wichtig dann auch die Frage „Woran arbeitet Ihr gerade und bis wann braucht Ihr von mir Feedback für irgendwas?“. Sehr nützlich finde ich auch Einzelgespräche.
Sie sollten wissen, dass die Erwartungshaltungen an ihren Online-Auftritt wesentlich höher sind als an einen Auftritt eines Mitarbeiters oder einer neutralen Person. „Notebook an und Halali“ – das reicht nicht für eine Führungskraft. Es geht um das digitale CEO Reputation Management, das heißt, ein CEO mit starker Reputation vermittelt Kompetenz und Stabilität an die Mitarbeiter oder Stakeholder und trägt damit zur eigenen Imagepflege und zum Unternehmenserfolg bei.
Es ist wichtig, dass Führungskräfte signalisieren, dass sie diesen Teilaspekt der Digitalisierung akzeptiert und bereits professionalisiert haben.
Was ich bei Videokonferenzen immer empfehle ist: erstellen Sie einen Ablaufplan in Excel. In der linken Spalte stehen untereinander die verschiedenen Teilaspekte, über die Sie sprechen wollen. In den Spalten daneben dann: Wie lange wollen Sie über diesen Part sprechen? Können Sie dazu eine Interaktion mit den Teilnehmern machen, um das Ganze zu beleben? Gibt es einen Film, der das Thema verstärkt? Oder einen Interviewgast, den man dazu holen kann? Oder gibt es – Minimum – ein Bild, das die Botschaft eindrucksvoll untermauert?
Mit diesem Drehbuch bekommen Sie ein ganz gutes Gefühl sowohl für die Dynamik als auch für das Zeitmanagement.
Da ein Meetingteilnehmer sein Gegenüber nur unmittelbar gegenüber hat, fehlt häufig direktes Feedback und viele feine Signale gehen aufgrund der fehlenden körperlichen Anwesenheit verloren. Wie zieht man seine Zuhörer digital in seinen Bann, wie digitalisiert man Verkaufsgespräche und wie schafft man es, aus einem virtuellen Meeting ein Event zu machen?
Abseits des Handwerklichen: Interaktionen sind ein wichtiger Erfolgsfaktor. Mitmachen statt Frontalbeschallung. Es gibt ein super Echtzeit-Abstimmungstool, das ich selber gerne verwende: Mentimeter. Damit kann man Live-Abstimmungen machen oder Wortwolken bilden. Oder wer ein Quiz machen möchte, kann dies mit der App „Kahoot“ machen.
Oder, für alle, die richtiges Live-Feeling während eines Online-Events haben möchte, gibt es die „MyApplause-App“. Eine App, mit der die Teilnehmer hörbaren Applaus schicken können – genauso wie Gelächter, wenn sie eine Pointe gut fanden, oder Emojis und persönliche Nachrichten.
Vielen Dank an Paul Johannes Baumgartner für das Interview!