Die Managerkrise
Was in deutschen Chefetagen schiefläuft
Führende Wirtschaftsstrategen und Experten für Führungskräfteentwicklung prangern schon lange die Struktur und die Qualität von vor allem deutschen Führungskräften an. Die Chefetagen seien zu zahlengläubig, zu glatt und zu kaputt. Das Problem: Dem Nachwuchs wird das Denken abtrainiert.
In diesem Artikel beleuchten wir die Gründe für diese Managerkrise und sprechen das an, was unseren Unternehmen häufig fehlt: Menschlichkeit, kreatives Denken und vor allem Mut zur Veränderung
Manager, Berater und Banker haben in Deutschland ein sehr schlechtes Image. Diejenigen, die mit Kritik über solche Führungskräfte sprechen glauben, dass Habgier und außer Kontrolle geratene Märkte daran schuld sind. Und die Politik mit Maßnahmen gegensteuern muss. Doch die Entwicklung zeigt, dass deutsche Eliten insgesamt einen völlig falschen Weg eingeschlagen haben und daran unverändert festhalten.
Grundsätzliche Probleme, die sich in Chefetagen etabliert haben, sind falsche Glaubenssätze. „Nur Zahlen haben einen Wert“, „Mund halten und liefern“, „Der Chef hat das letzte Wort“, „Machen, nicht denken“. Das sind die Spielregeln, nach welchen in deutschen Unternehmen gearbeitet wird und die Gründe dafür, dass in unserem Wirtschaftssystem so vieles falsch läuft. Die Argumentation, dass viele Unternehmen mit genau dieser Strategie (klare Hierarchien, genaue Vorgaben und Abläufe, straffe Regeln) nach wie vor erfolgreich sind, dürfen hier nicht zählen. Denn nach und nach zersetzen die falschen Glaubenssätze und Mentalitäten die Chefetagen und – schlimmer noch – werden an die nächste Generation weitergegeben.
Das beginnt schon im Studium. Studenten pendeln mit ihren Laptop-Taschen und Unterlagen unterm Arm zwischen Vorlesungen und Workshops hin und her und arbeiten dabei nur an ihren Träumen von hohen Einstiegsgehältern. Sie werden in einem beinahe religiösen Glauben an mathematische Rationalitäten und Analysen geschult und zu dem Glauben erzogen, mit Excel-Tabellen und Power-Point-Folien das komplexe wirtschaftliche und soziale Gefüge von Unternehmen leiten zu können.
Für Selbstreflexion und eigene Entwicklung bleibt keine Zeit in diesem System – nur das Hamsterrad. Das führt dazu, dass vor allem Klone von Managern geschaffen werden, die in der Personalabteilung gut ankommen. Doch es werden keine Individuen ausgebildet, die mit eigenen frischen Ideen neuen Wind in Unternehmen und Branchen bringen, die genau diesen Wind bitter nötig hätten. Denn Klone können allenfalls vorhandenes optimieren und effizienter machen – doch keinesfalls Abläufe und Prozesse kritisch hinterfragen oder innovativ denken.
Deshalb sollten Business Schools sich dringend umorientieren und für Absolventen Portfolios bereitstellen, die diese zu Führungskräften machen, denen ihre Verantwortung auch bewusst ist. Denn derlei antrainierte Dogmen und Glaubenssätze machen Menschen unglücklich, schaden Unternehmen, vernichten Humankapital und verhindern Innovationen.
Es ist also eine neue Art von Führungsmentalität gefragt, ebenso wie neue Charaktereigenschaften, Führungskompetenzen und das kritische Hinterfragen der richtigen Auswahl und Ausbildung von Führungskandidaten. Zahlen- und strukturgetriebene Führung muss zwingend mehr Kunden- und Mitarbeiterorientierung weichen.
Doch wie erzieht man junge, angehende Führungskräfte dazu, ihre antrainierten Glaubenssätze und falschen Ideale selbstkritisch zu reflektieren? Bei der Ausbildung der Führungskräfte muss die geistige Freiheit im Mittelpunkt stehen und mehr Freiraum für Kreativität, Mut und das Machen von Fehlern gegeben werden, aus denen gelernt werden kann. Unternehmen müssen lernen, dass keine glatten Produkte und Aushängeschilder für die Personalabteilungen gesucht werden, sondern selbstreflektierte Persönlichkeiten, die auch ganz bewusst ihre Ecken und Kanten haben dürfen. Dafür ist es notwendig, dass rein betriebswirtschaftliche Ausbildungen mit moralischen Werten, freiem Denken und Mut zur Vielfalt ergänzt werden.
Doch die Realität sieht leider oft anders aus. Zwar brüsten sich Unternehmen damit, genau diese Vielfalt zu suchen, sowie unterschiedliche Perspektiven, Querdenker und Über-den-Tellerrand-Schauer. Aber die Wirklichkeit weicht von diesen imagewirksamen Ansprüchen stark ab. In der Realität ist Schablonendenken gefragt, nicht reflektiertes und kreatives Entscheiden.
Es sieht also nicht gut aus in deutschen Chefetagen – Unfähigkeiten, die wir uns auf Dauer nicht leisten können. Denn Finanzkrisen, billigere Konkurrenz aus Schwellenländern, Armut und Umwelt sind schon lange völlig reale Bedrohungen, der sich die wirtschaftliche Elite stellen muss.
Dazu brauchen deutsche Unternehmen Mut! Den Mut zu erkennen, dass Menschlichkeit, Kreativität und Veränderung nicht nur Phrasen sind – sondern auch erheblichen ökonomischen Erfolg bedeuten können.